22. November, 2024

Turmuhrenmuseum Bockenem: Oldtimer-Clubs und alte Uhren

Da staunten die Bockenemer nicht schlecht, als im Juli 2020 ein paar Panther die Innenstadt bevölkerten. Nicht die Raubtiere, sondern die britischen Roadster im 30er-Jahre Retro-Look, die das örtliche Turmuhrenmuseum zum Ziel einer Ausfahrt machten. 

Achtung, Panther auf dem Marktplatz! Die Freunde des Panther Kallista hatten Mitte Juli das Turmuhrenmuseum als Ziel ihres Ausflugs. Foto: Privat

Und damit waren die Eigner der Panther Kallista nicht die ersten Oldtimerfans, die sich das „Museum der Zeit“ direkt am Marktplatz angesehen haben. Denn wer sich für alte Automobiltechnik begeistern kann, findet oft auch Gefallen an der präzisen Mechanik einer analogen Uhr.

Dass die in Bockenem eher groß ausfallen, hat einen Grund: In der Stadt im Vorharz war über drei Generationen die Firma J.F.Weule ansässig, die sich aus einer 1836 von Johann Friedrich Weule gegründeten Uhrmacherwerkstatt zum „Global Player“ des Turmuhrenbaues entwickelte.

Diese Turmuhr – mit Zifferblatt! – zeigte die Zeit in der Katholischen Kirche am Ende des Marktplatzes in Bockenem an – bis die Kirche 1976 abgerissen wurde. Foto: Schroedel

1848 fertigte Weule in 8 Monaten Bauzeit die erste Turmuhr für die Marktkirche in Goslar, rasch kamen weitere Kunden in Deutschland und Europa dazu. Weule wurde zwischenzeitlich der größte Arbeitgeber in Bockenem. Das neu entwickelte Baukastensystem – man kennt das auch aus dem modernen Automobilbau – ermöglichte es, die Uhren mit gleichen Komponenten in diversen Größen effizienter zu produzieren. Die Kunden orderten später sogar aus Übersee: So steht heute noch eine Turmuhr mit großem Glockenspiel in der Argentinischen Hauptstadt Buenos Aires – und sie funktioniert auch noch. 

Warum die ersten Turmuhren keine Zifferblätter hatten und vieles mehr erklärt Museumsleiter Hans-Jörg Drake. Er führt mit viel Fachwissen und zahlreichen Anekdoten durch das Turmuhrenmuseum. Foto: Schroedel

Das und noch vieles mehr erklärt Museumsleiter Hans-Jörg Drake auf einem Rundgang durch das mit 60 Uhren gut sortierte Museum. Nicht alle, aber die meisten Uhren stammen aus Bockenemer Produktion. Man erfährt, warum zu Beginn des Turmuhrenbaues gar keine Zifferblätter verwendet wurden, sieht an den schön hergerichteten Ausstellungsstücken die Funktion von Hemmrad, Anker und Pendel, lernt den Unterschied von Gehwerk und Schlagwerk kennen und trifft sogar einen echten Filmstar!

Ein echter Filmstar! Die 1911 gebaute Weule-Uhr spielte eine Hauptrolle in der 2012er Neuverfilmung von „Das kleine Gespenst“. Foto: Schroedel

Die schöne, mit dem typischen schwarz-goldenen Weule-Rahmen versehene Turmuhr aus dem Jahr 1911, mit ihren großen, bronzefarbenen Zahnrädern hatte Hans-Jörg Drake 2012 gerade in mehreren hundert Arbeitsstunden restauriert – da wurde eine Filmproduktionsfirma auf das gute Stück aufmerksam. „Das kleine Gespenst“ von Otfried Preußler sollte neu verfilmt werden und so kam die ehemalige Domuhr aus Fritzlar (Hessen) zu ihrem großen Auftritt im Kino.

Solche Geschichten und Anekdoten sind es, die den Reiz des Museums ausmachen – und es eben auch zum beliebten Ziel von Oldtimer Clubs machen. Die sind jederzeit herzlich willkommen, zu den gängigen Öffnungszeiten am Wochenende oder gerne auch – nach vorheriger Absprache – unter der Woche.

Der Fiat 500 Club bevölkerte im August 2018 den Bockenemer Marktplatz. Foto: Privat

In den letzten Jahren hatten die Bockenemer bereits Gelegenheit, den Fiat 500 Club mit seinen kleinen Flitzern zu begrüßen, die besondere Technik der Ro-80 Wankelmotor-Limousinen zu bestaunen und, ebenfalls im Juli, die Mercedes Benz Interessengemeinschaft (MBIG) auf dem Marktplatz zu begrüßen.

Einblick in die Wankel-Technik gewährte der NSU Ro 80 Club. Foto: Privat

Und es gibt noch eine Auto-Verbindung: Zur Unterstützung des Museums hat der Ur-Ur-Enkel des Firmengründers eine Stiftung gegründet. Und der, Professor Hartmut Weule, war jahrelang Mitglied im Vorstand von Daimler Benz.

Weitere Infos: www.turmuhrenmuseum-bockenem.de

Auch die Mercedes Benz Interessengemeinschaft (MBIG) besuchte schon das Turmuhrenmuseum. Foto: Privat

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